Am

Dorfanger

wohnhof - berlin Kaulsdorf, dorfstrasse

Kaulsdorf ist eines der zahlreichen Dörfer um Berlin, die im Zuge der deutschen Kolonisation der Mittelmark in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts angelegt wurden. Bis heute ist die Struktur des Strassenangerdorfes ebenso erhalten wie die überlieferte Parzellenstruktur der Hofstellen mit den schmalen und tiefen rückwärtigen Garten- und Wiesenstücken. Diese sind heute Teil des geschützten Landschaftsraums Wuhletal. Die erhaltenswerte Struktur des Dorfangers steht ebenso unter Denkmalschutz, wie die noch erhaltenen Bauten aus dem 19. Jahrhundert. Neubauten sollen durch Krieg und Abbruch entstandene Lücken ersetzen.

Der denkmalgeschützte Vierseithof Dorfstrasse 29 besteht aus einem spätklassizistischen Bauernhaus mit Putzfassade, einer Stallscheune und einem Stall mit Sichtmauerwerk, sowie einem ergänzenden Neubau in massiver Ziegelbauweise. Die große Stallscheune ist das letzte noch erhaltene Gebäude, das den Dorfanger zum Wuhletal hin abgrenzt. Sie ist in ihrer Größe und Gestaltung ortsbildprägend.

Der Entwurf für die Gesamtanlage und die drei Wohngebäude resultiert aus dem Dialog mit dem Bestand. Der Bestand ist „Speicher“ für Sinne, Reize, Geschichte, Atmosphären. Er gibt Anlass zu Entwurfsüberlegungen, die ohne ihn nicht entstehen würden:  Materialwahl, Raumproportionen, Raumzusammenhänge, Lichtstimmungen, Konstruktionen. Der Neubau sowie Eingriffe und Ergänzungen und die Neugestaltung der Westfassade der ehemaligen Scheune verankern den Hof in der Gegenwart.

Die vorgegebenen Gebäudestrukturen sowie die Details des Bestands bestimmen die Grundrisskonzeptionen und die Raumqualitäten. Wohnungen auf mehreren Ebenen schaffen die Qualität vom Haus im Haus, das Dachgeschoss der Scheune wird zum Loft, die Kappendecke im ehemaligen Kuhstall prägt den Wohnraum, die Struktur des Bauernhauses generiert ein modernes Raumkonzept.

Hoffassade und Giebelwände der ehemaligen Stallscheune sind denkmalgeschützte Sichtmauerwerksfassaden, deren Ornamente und Lisenen den konstruktiven Aufbau widerspiegeln und als Öffnungen zur Belichtung und Belüftung dienen.Die vier Wohnungen der Scheune werden über das ehemalige Scheunentor erschlossen und sind jeweils über 2 oder 3 Ebenen organisiert. Räumliche Qualitäten entstehen durch unterschiedliche Raumhöhen, Raumverbindungen und Beziehungen zu Hof und Landschaft. Der ehemalige Kuhstall bildet eine eigene Einheit mit jeweils einer Wohneinheit auf der Hofebene und im Dachgeschoss. Die besondere Ausstrahlung erhält die loftartige Wohnung im Erdgeschoss durch die wiederhergestellte Kappendecke.

Der Neubau, der den Kastanienhof ergänzt, nimmt mit seinem Volumen Rücksicht auf die historische Stallscheune und den Nachbarhof. Absicht war, ein Gebäude aus massivem Mauerwerk zu erstellen, dessen Tragwerk und Hülle in Bezug auf Aussteifung und Öffnungen den traditionellen Regeln des Mauerwerksbaus entsprechen. Im Ausdruck jedoch steht es als modernes Gebäude im Kontrast zu seinen denkmalgeschützten Nachbarn.

Um das Bauernhaus technisch und brandschutztechnisch nicht zu überfordern, wurden zwei Wohneinheiten als Maisonette-Wohnungen geplant. Die konstruktive Grundstruktur wird erhalten, bzw. erneuert und ergänzt. Noch vorhandene originale Bauteile wie Fenster, Türen und Beschläge wurden repariert, neue Bauteile und Schichten sind sichtbar. Die ursprüngliche Dachdeckung aus Schiefer wurde durch eine anthrazitfarbige Ziegeldeckung ersetzt.

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Bauherr: Blaues Haus GmbH&Co.KG

Fertigstellung: 2016

Umfang: Leistungsphase 1-8 nach HOAI

Daten: 10 Wohneinheiten, 1.170 QM

Energiestandart: KfW 70, KfW Sanierung, KfW Denkmal

Baukosten: 2,8 Mio.

Fotos: Werner Huthmacher Photography